Na steht ihr auch manchmal vor eurer vollen Steam-Bibliothek wie die Frau vor dem vollen Kleiderschrank die nichts anzuziehen hat? Woher kommt diese Lustlosigkeit? Das Thema weitet sich ja unter Umständen auf den kompletten Unterhaltungssektor aus. Auf Netflix & co warten dutzende von potenziell interessanten Serien darauf geguckt zu werden… aber irgendwie hat man zu nix Lust. Dutzende Bücher wollen gelesen werden… und nichts davon fängt man an zu lesen. Kennt ihr das auch?
Ein oft erwähnter Grund heißt Prokrastination. Man schiebt unangenehme Dinge ja gerne vor sich her so dass der Berg immer größer wird und man erst recht keine Lust hat anzufangen. Nur bezweifele ich eigentlich ob das für Unterhaltung der man ja gerne nachgeht auch gilt. Meine Theorie ist da eine Andere.
Neulich beim hören meines Lieblingspodcasts kam mir eine Idee: Wissen wir vor lauter Überangebot an Unterhaltung die wirklich guten Sachen nicht mehr zu schätzen? Sind wir einfach zu satt so dass wir zu nichts mehr Lust haben?
Ich glaube dass die Lustlosigkeit am Überangebot liegt wie im dort angesprochenen Limo-Beispiel. Man könnte das zusammenfassen mit dem bekannten Spruch dass immer nur Champagner auch irgendwann langweilig wird weil es dann nichts Besonderes mehr ist. Wir sind so darauf konditioniert dass ständig Nachschub kommt dass wir Spiele zumeist nicht mal fertig spielen.
Erinnert ihr euch an Früher als ihr noch Schüler wart und keine Kohle hattet? Evtl musstet ihr eure Eltern anbetteln um hin und wieder mal ein Spiel gekauft zu bekommen. Das Resultat war man hatte wirklich jeden Scheiß gespielt auch wenns nur eher mittelmäßig war.
Irgendwann wird man erwachsen und hat genug Kohle für sein Lieblingshobby. Dazu kommen die in den Jahren immer beliebter gewordenen Sales auf Steam, GOG etc. Verschärft wird das Ganze noch durch die Tatsache dass es noch nie so viele Veröffentlichungen gab wie jetzt.
Ich hatte solche Phasen als Jugendlicher allerdings auch schon und saß trübsinnig vor Diskettenboxen voller C64 oder später Amiga-Disketten und hatte „nichts zu spielen“. Wer die Zeit erlebt hat der weiß dass es damals kein Problem war an kostenlosen Nachschub zu kommen *hust* ;).
Manche kennen vielleicht die Tradition des Fastens. Fasten ist eine gute Möglichkeit sich die Werte verschiedener Dinge wieder ins Gedächtnis zu rufen. Versucht doch mal z.B. eine Woche auf eine geliebte Gewohnheit zu verzichten. Vielleicht eine Kleinigkeit wie eine Woche (oder auch noch länger für mehr Effekt) keinen Naschkram? Danach weiß man das Naschzeug das man sich vielleicht schon eher lustlos reingestopft hat wieder zu schätzen. Eine gute Übung die man in vielen Bereichen mal ausprobieren sollte, das ist gut für den Charakter! An der guten Limo aus dem Podcast hätte man viel länger Freude gehabt würde man sie vielleicht nur am Wochenende trinken.
Gerade als Erwachsener möglichst noch mit Familie hat man aber eher nicht das Problem dass man zu viel Zeit mit seiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung verbringt, sondern dass man für die knapp bemessene Freizeit zu viel Angebot hat. Daher hatte ich die Idee die Lust mit künstlicher Verknappung wieder zu entfachen.
Ich stellte irgendwann mal fest dass ich (wie im diesem Podcast so schön formuliert) wohl auch an einer Art von „Impulskontrollstörung“ leide (Wie die meisten Gamer heute behaupte ich mal) und sehr oft Spiele fürs Archiv kaufte weil ich die garantiert irgendwann mal spielen werde. Kurz durchgezählt komme ich alleine auf Steam auf fast 40 Spiele die ich mal spielen wollte aber bisher noch nie angefasst habe. Und das bei mir ohne die bereits irgendwann mal angespielten Sachen die man mal fertig spielen will. Oder alte Sachen die man evtl mal wieder spielen möchte weil sie so toll waren. Spiele die nur da rumfliegen bloß weil sie kostenlos waren mal garnicht mitgezählt. Und das ist noch human. Ich weiß dass das bei anderen Gamern gerne mal in die hunderte geht.
Das heißt ich werde mal ein halbes Jahr (mindestens) keine Spiele mehr kaufen!
So ein freiwilliger Verzicht wird ziemlich hart aber könnte interessant werden. Habe Ähnliches übrigens vor einiger Zeit mit Facebook durchgezogen als ich bemerkte dass ich da zu viel Zeit verplempere. Sich etwas selbst vorzuenthalten ist gerade anfangs wirklich grausam. Das kann einem jeder Raucher bestätigen der damit aufgehört hat oder wer eine Diät macht.
Gerade wenn noch sozialer Druck dazu kommt und alle Freunde den neuesten Shit spielen kann ich mir vorstellen dass ein Verzicht hier sehr schmerzhaft sein kann. Oder wenn einem im Podcast, auf Youtube oder seiner Lieblingspublikation in einem Test oder Let’s Play etc. der Mund wieder mal wässerig gemacht wird. Aber ich denke dass Verzicht auch mal ganz gut für den Charakter ist. Könnte ein interessantes Experiment werden.
Irgendwann ging ich dazu über meine „Pile Of Shame“ auf die Wunschliste zu verschieben wo sie zumindest kein Geld kostet und auch eigentlich kein Pile Of Shame in dem Sinne mehr ist. Das Meiste was ich kaufenswert finde kommt also jetzt erst mal auf die Wunschliste. Das Resultat dabei ist dass ich bemerke wie Spiele auf die ich anfangs ziemlich heiß war mit der Zeit immer unwichtiger werden und in der Rangfolge immer mehr nach unten rutschen. Außerdem gibt es streng genommen wenig gute Gründe ein Spiel direkt bei Release zu kaufen und viele gute Gründe mit dem Kauf zu warten. Also einfach mal warten kann schon ganz gesund sein. Das wäre eine Methode um am Ball zu bleiben ohne was zu kaufen. Trotzdem packt es mich noch oft genug und ich kaufe doch wieder irgendwas weil es gerade im Sale ist und so billig *seufz*. Ich denke fast jeder von uns Gamern hat genug Spiele auf Halde auf der oft zitierten „Pile Of Shame“ um über Monate ohne Neukäufe zocken zu können.
Wie gesagt es geht nicht darum aufhören mit zocken sondern nur nichts Neues mehr dazu zu kaufen für eine gewisse Zeit. Ein gezieltes Training der Impulskontrolle sozusagen. Klingt die Idee interessant? Dann probiert es doch auch mal aus!
Mal schauen evtl werde ich einen mehr oder weniger regelmäßigen Bericht abliefern wie es so läuft.